Sein Vater war Bauer, Metzger – und Dragoner, seine Mutter eine der ersten Frauen im Glarnerland, die nicht nur Auto fahren konnte, sondern auch ein eigenes Auto besass.
Eigenwilligkeit hat seine Vorfahren stets ausgezeichnet, so auch seine Eltern – und ihn selbst. «Ich habe gelernt, die Berge «tief» zu halten», sagt Peter Jenny. «Das gilt auch dann, wenn man oben auf der Spitze ist, ganz besonders im Nebel: Da wird der Berg zum fliegenden Teppich. Fantasie und Träume bleiben wichtig.»
Peter Jenny hat in Glarus Schriftsetzer gelernt und 1964 die Prüfung zum Vorkurs der Kunstgewerbeschule in Zürich bestanden, wo er bei Serge Stauffer auch fotografieren lernte. Er hatte aber schon da seine liebe Mühe mit der etablierten Art des Unterrichts: «Uns wurde einmal die Aufgabe gestellt, ein Buch mitzubringen, das uns viel bedeutete. Die Schülerinnen und Schüler mit meist gebildeten Eltern legten «Die Kunst des Bogenschiessens» oder die Tagebücher von Paul Klee vor. Ich brachte einen alten Ackermann-Katalog mit. Darin befanden sich richtige Wollfäden. Die wunderbarsten Farben wurden greifbar». Als Peter Jenny als grosser aber kritischer Bauhausfan miterleben musste, wie 1964 in Zürich derselbe Bauhausunterricht mit Farbenlehre, Perspektive und Modellieren über die Bühne ging, wie 1919 schon am Bauhaus – da wusste er: Es muss etwas geschehen. Peter Jenny wechselte in die Klasse «Farbe+Form». Die «F+F» war Avantgarde. Hier wurde man zum Nachdenken animiert, aber auch stark durch die damaligen Kunstrichtungen geprägt. «Ich wollte aber nie Künstler werden. Mich interessierten die Grundlagen der Gestaltung. Ich wollte Probleme lösen. Künstler arbeiten jedoch auch ohne ein Problem lösen zu müssen.»
Peter Jenny verliess die Schule und gestaltete ab 1965 die Zeitschrift «du». In dieser Zeit lernte er Robert Frank, René Burri und Henri Cartier-Bresson kennen – und wollte Bildredaktor beim «Stern» werden, der lange als eines der
deutschsprachigen Leitmedien galt. Dazu kam es nicht. Stattdessen kreierte er einen neuen Vorkurs, in dem er seine Vorstellungen von der Schulung der Wahrnehmung verwirklichen konnte. Der damalige Schuldirektor meinte jedoch, wenn Peter Jenny einen Vorkurs übernähme, würde niemand mehr etwas über den Maler Max Gubler lernen. Seine Ideen konnte er dennoch in verschiedenen Vorkursklassen in dem von ihm unterrichteten Fach «Information» verwirklichen: «Wir spielten auf dem Platzspitz «Himmel und Hölle»: Wer lockt die Tauben am besten mit Fütterungstechniken ins Spielfeld? Oder wir übten uns im Püürli werfen.»
1970 hat Peter Jenny dann doch gekündigt. Die Schülerinnen und Schüler protestierten postwendend: «Gopferchlemmi bliib doch Jenny!». Dies war die erste öffentliche Demo an der Schule, doch es half nichts: Jenny ging – zusammen mit den Dozierenden Doris und Serge Stauffer, Hansjörg Mattmüller und allen Studierenden der Klasse – und gründete mit den Stauffers und Mattmüller die unabhängige «F+F – Schule für experimentelle Gestaltung». Da unterrichtete er bis 1977. Ende der 90er-Jahre kam er für eine kurze Zeit in die Schulleitung der F+F zurück.
1977 wurde Peter Jenny Professor an der Architekturabteilung der ETHZ, wo er das Hauptfach Grundlagen der Gestaltung unterrichtete. Er experimentierte zusammen mit den Studentinnen und Studenten an Kamera-Obscuras aus Schweineblasen, kreierte eine Linienlehre mit Kopfhaaren und erfand unzählige Übungen, um seine Theorien des ganzheitlichen Lernens umzusetzen. Von 1990 bis 1993 war er Vorsteher der Architekturabteilung.
2005 erschien ‒ quasi als Abschiedsvorlesung – sein tolles Werk «Metaphern zur Wahrnehmungskunst». Das Buch ist eine Anleitung für offene Geister, in einer immer abstrakteren Welt grundsätzliche Betrachtungsfähigkeiten und Ausdruckskraft zurückzugewinnen und in der Bilderflut den Blick auf Darstellungen zu schärfen. Es geht Peter Jenny in seiner Wahrnehmungsschule nicht in erster Linie darum, zeichnerische Fertigkeiten zu erlangen, sondern Spielfreude und Fantasie zu entwickeln.
Heute wirkt er wieder im Glarnerland. Er arbeitet weiter an seiner Schule für Autodidaktinnen und Autodidakten, holt anderenorts verpönte Kunst ins Tal und bemüht sich, dem Kulturleben in seinem Umfeld einen fruchtbaren Boden zu bereiten.
Text: Matthias Gallati