Gregory Tara Hari, Selbstportrait, 2021
«Die F+F hat mir die Zürcher Kunstszene erschlossen»
Gregory Hari hat nicht von selbst zur Kunst gefunden – und auch nicht die Kunst ihn. Seine Eltern haben ihm die Schule ausgesucht. Seinen Plan, Modedesign zu studieren unterstützten sie weniger, die Kunst hingegen schon. 

Wenn sich Gregory Hari an seine Studienzeit an der F+F erinnert, fallen ihm noch vor den Geschichten die Leute ein. Mit vielen von ihnen hat er auch 10 Jahre nach seinem Abschluss noch Kontakt: «An der F+F ist man kollegial, auch über die Schule hinaus». Er erwähnt Marie-Antoinette Chiarenza, Walter Pfeiffer, dessen Technikverweigerung ihm imponierte und an Radoje Markovic, dessen imposante Plattensammlung er erbte. Wer an der F+F studiert, bringt ganz unterschiedliche Motivationen und Geschichten mit in das intime Umfeld der Schule. «Man war sich sehr nah, aber nicht unbedingt gleichgesinnt», sagt Gregory, «man reibt sich auch mal aneinander, aber daraus entsteht Bereicherndes.» 

Im Studium an der F+F fand Gregory zur Performance und über die Performance zur Arbeit und Auseinandersetzung mit dem Körper. Bei seiner ersten Performance, 2013, bearbeitete er während vier Stunden Kleidungsstücke, trennte Nähte auf und teilte so Torso von Armen. Viele Jahre später zitierte er die Arbeit in neuer Formalität. Inzwischen ist sein Medium seltener die Performance, öfter die Malerei. 

Geschichten und Kunst, frühe und späte Arbeiten: bei Gregory kreuzen, überschneiden und durchwinden sich die Themen. «Ich versuche meine Arbeit als Ganzes zu verstehen. Selbst wenn ich etwa an der F+F doziere, ist das irgendwie Teil meiner Arbeit», beschreibt Gregory seine Haltung. Er interessiert sich in seiner künstlerischen Praxis für politische, soziale und geschichtliche Betrachtungen. Ihn beschäftigt die Repräsentation von Macht und ihren Körpern in all ihren Aspekten – sei es eine Geflüchtete, ein König oder eine Miss Schweiz. Dem Thema nimmt er sich aktuell in einem Aufenthalt in Paris an.

Gregory scheint immer im Austausch, für sein Schaffen braucht er die Begegnung. Nach seinem Studium an der F+F hat er den Master in Fine Arts in Basel gemacht, wo er viele internationale Kontakte knüpfte. Jeweils einmal im Jahr erkundet er für mindestens einen Monat einen anderen Ort. Da ist es hilfreich, gut vernetzt zu sein. «Aber die F+F hat mir die Zürcher Kunstszene erschlossen», fügt Gregory an. Da fällt ihm ein, dass er seinen ehemaligen Performance-Dozent der F+F in Paris noch gar nicht besucht hat und macht sich rasch eine Notiz. 


Text: Anna Raymann
Lukas Zingg, Fotografie HF, Film HF, Foto: 2020
«Dream big»
Lukas ist der erste Student an der F+F, der zwei Studienfächer gleichzeitig belegt. Er studiert sowohl Film HF als auch Fotografie HF und obwohl «beides mit Kamera funktioniert, treffen sich hier zwei unterschiedliche Welten.»
 
Die von amerikanischen Landschaftsfotografen mit Grossformatkamera aufgenommenen Bilder waren es, die Lukas in den Bann zogen und ihn von der Fotografie als Kunst überzeugten. «Metergrosse Abzüge an der Wand, in die man eintauchen konnte wegen der Tiefenschärfe – das hat mich sehr beeindruckt.» Fotografie aber umgab und interessierte ihn schon lange vor dieser musealen Begegnung mit amerikanischen Werken: Auch Lukas’ Grossvater fotografierte und filmte leidenschaftlich gerne. Er war es, der ihm seine erste Kamera schenkte.

An die F+F zog es ihn nach seinem Studium an der Uni Zürich zunächst wegen der Fotografie, die er nicht mehr nur als Freizeitbeschäftigung ausüben wollte. Er wollte die Fotografie als Handwerk «richtig erlernen», erfahren, welche Stile es in der Fotografie gibt und herausfinden, wie sich seine Bilder einordnen lassen. An der F+F überzeuge ihn aber, dass «sie auch Praxis orientiert und nicht nur künstlerisch ist.» Die F+F stelle auch einen starken Bezug zur Branche und zum Berufsalltag her.

Aus dem einfachen Wunsch zusätzlich zu den Fotografiekursen «ein paar Filmmodule» zu belegen, ergab sich ein Parallelstudium. Lukas kann dadurch seine Interessen verbinden und ist mit seiner Wahl zufrieden: «Da die beiden Studienmodelle gut zueinander passen, es zeitlich gut aufgeht, muss ich kaum Abstriche machen.»

Welchen der beiden Studiengänge er bevorzuge, könne er nicht beantworten. Er schätze sowohl die dynamische Teamarbeit im Filmstudium als auch seine Zeit mit der Fotokamera. Das Filmstudium habe ihn aber in Bezug auf den Inhalt – «all die Details, auf die man im Film achten muss!» – ein bisschen mehr überrascht. 

«Eine gewisse Beharrlichkeit an den Tag zu legen, sich nicht von ersten Widerständen abbringen zu lassen und gross zu träumen – dream big!» sind Ratschläge, die sich auf beide Studiengänge anwenden lassen und gehören zu den besten, die Lukas von einem Dozenten erhalten hat. Dadurch konnte sich zum Beispiel die Möglichkeit ergeben, für ein Projekt mit namhaften Schauspieler:innen zusammen zu arbeiten.

Sein Fotografiestudium hat Lukas diesen Juni inzwischen erfolgreich abgeschlossen. Für seine Diplomarbeit mit dem Titel Transit erhielt er den Förderpreis 2022 des Schweizerischen Werkbunds (SWB). Er reiste dafür entlang von unterirdischen Leitungen durch die Schweiz und hielt kritische Fragen nach dem Umgang mit Erdgas in einer fotografischen Reportage fest.

Als Filmstudent hingegen bleibt er der F+F noch ein bisschen erhalten.

Text: Anamaria Novak
Jonathan Heimgartner, WBM 2021, Model: Jeremias Heimgartner
«Man lernt über die eigenen Grenzen hinauszuwachsen»
Jonathan besuchte an der F+F den einsemestrigen Lehrgang Weiterbildung Modedesign und schloss diesen im Januar 2022 erfolgreich ab. Heute absolviert er ein Praktikum bei YVY, einem Textilunternehmen in Zürich, arbeitet gleichzeitig an der Weiterentwicklung seines Portfolios und an Entwürfen für eine neue Kollektion.
 
Jonathan, der eine grosse Leidenschaft für das Handwerk hegt, schloss zunächst eine Ausbildung als Bekleidungsgestalter EFZ ab. Um noch tiefer in die Welt der Mode einzutauchen, die akademische Seite des modischen Gestaltens zu erfahren und sich gleichzeitig mit kreativen Herangehensweisen auseinanderzusetzen, meldete er sich zur Weiterbildung an der F+F an.
 
Weil die Weiterbildung auf «Schneider ausgelegt ist» und weil Jonathan hier das Handwerk mit dem Kreativen optimal verbinden konnte, fiel die Wahl auf die F+F. Dass man an dieser Schule individuell unterstützt wird, lernt für ungewöhnliche Umsetzungen offenzubleiben und dass «man hier in kurzer Zeit viel machen kann» wird deutlich als Jonathan davon erzählt, wie er einen Heissluftföhn benutze, um Oberflächenstrukturen in Textilien zu entwickeln, aus einer Krawatte innerhalb von fünfzehn Minuten eine Halskrause gestaltete oder einen Liedtext mit Stoffen visuell verarbeitete. Jonathan schätze es sehr, das kreative Arbeiten ein ganzes halbes Jahr in den Vordergrund stellen zu können, vom Erfahrungsreichtum unterschiedlicher Dozierenden zu schöpfen und sich mit anderen Studierenden auszutauschen und zu vernetzen.
 
Die Verbundenheit zu anderen Studierenden kommt beispielweise zum Ausdruck, als Jonathan vom Entschluss erzählt, die pandemiebedingt abgesagte Studienreise zu viert und in Eigeninitiative dennoch anzutreten – nach Antwerpen, wo er die Inspiration für seine Abschlussarbeit fand. Zum vorgegebenen Thema «Konzentrieren, Reduzieren» entwarf er eine unklischierte, neu interpretierte, maritime Kollektion, die von den Schiffen, den Matrosen und insbesondere der traditionellen Bekleidung der Fischer Antwerpens inspiriert ist. Aus zwei zur Verfügung gestellten Stoffen kreierte er drei Outfits. Dazu zählen ein Mantel, ein Jumpsuit, Hosen mit aus Schiffstau angefertigten Hosenträgern und ein Fischerhut. Um Sepiatöne und einen used-look zu erzeugen, färbte Jonathan einen der Stoffe mit Schwarztee ein.
 
«Eine Kollektion komplett mit Fotoshooting durchzuziehen, eine Kampagne zu lancieren – das hätte ich mich vor der F+F nicht getraut». Dadurch, dass die Abschlussarbeit in einem lookbook festgehalten werden sollte, kam Jonathan über die Weiterbildung mit Modefotografie in Berührung. Vom Designer zum Fotografen inszenierte er die Kollektion in einem Angelpark im Kanton Thurgau. Über das kreative Arbeiten an der F+F sagt er abschliessend: «Häufig kommen die Dinge ganz anders als geplant und trotzdem kommen sie gut. Man lernt über die eigenen Grenzen hinauszuwachsen und beweist sich selbst, dass man es kann.»

Text: Anamaria Novak
Ronya Peter, WBM, Hut, 2021
Den wertvollsten Ratschlag, den Ronya an der F+F erhielt, war, ihrem Herzen zu folgen...
Ronya Peter absolvierte den einsemestrigen Lehrgang Weiterbildung Modedesign an der F+F und fügt ab Herbst 2022 den Studiengang HF Modedesign an.

In der Zwischenzeit arbeitet sie mit der Dozentin und Modedesignerin Arienne Birchler zusammen, ein Kontakt, der an der F+F zustande gekommen ist, nimmt Einzelaufträge entgegen und stellt zusammen mit einer Freundin sechzig Hüte für eine Kinderzunft her. Ja, Ronya Peter ist nicht nur gelernte Schneiderin, sie ist auch Hutmacherin. Und wer bei diesem letzten Stichwort an Lewis Carolls «Alice im Wunderland» denkt, liegt richtig: Der Klassiker ist für Ronya eine grosse Inspiration, sie fühlt sich wohl in der Welt der Kostüme und arbeitet am liebsten mit satten, dunklen Farben.

Ein sattes, dunkles grün findet sich beispielsweise in ihrer Abschlusskollektion wieder, die sie an der F+F im Modul «Kollektionsgedanke» entwarf. Die Inspiration zu ihrer Mini-Kollektion fand Ronya dieses Mal jedoch nicht in der Literatur, sondern in der Architektur: Im Port House mit Zaha Hadids futuristischem Neubau liegen die klaren Linien und geometrischen Formen dieser Kleidungsstücke begründet. Das Port House (auch: das Havenhuis) liegt im Hafen der Stadt Antwerpen, den sie zusammen mit drei weiteren F+F Studierenden auf einer eigenständig organisierten Studienreise besuchte.

Es war ihr Wunsch nach einer vertieften Auseinandersetzung mit Modedesign, der sie nach ihrer Ausbildung zur Bekleidungsgestalterin EFZ an die F+F führte. Die kreative, ungebundene Arbeitsweise von Modedesigner:innen, die in grossem Kontrast zu den konkreten, sehr klaren Aufträgen von Schneider:innen steht, sprach sie an. Ronya schätzte es sehr, während der Weiterbildung frei ihre eigenen Projekte zu verwirklichen. Diese Freiheiten stellten sie zuweilen aber auch vor Herausforderungen.

Den wertvollsten Ratschlag, den Ronya während des Unterrichts an der F+F erhielt, war, ihrem Herzen zu folgen, sich von Farben, Formen und Materialien tragen zu lassen und dabei nicht zuviel nachzudenken. So simpel dieser Ratschlag anmuten mag, so effektiv war er für Ronyas Kreationen. Den während ihrer Schneiderlehre angeeigneten Perfektionismus lernte sie dadurch aufzulockern, ohne jedoch ihre – und die beim Schneidern so wichtige – Genauigkeit zu verlieren.

Nach dem Studium kann sich Ronya gut vorstellen als Kostümdesignerin zu arbeiten. An der Theater- und Filmwelt fasziniert sie die Vielseitigkeit der Kostüme und die Fülle an unterschiedlichen Materialien, mit welcher sich Kostümdesigner:innen tagtäglich auseinandersetzen können. Ein eigenes Modelabel zu gründen und zu führen, bleibt aber auch nicht ausgeschlossen.

Text: Anamaria Novak
Britta Liv Müller, Alumni des Vorkurs berufsbegleitend.
«Die F+F macht Lust am Experiment.»
Britta Liv Müller schloss 2013 den berufsbegleitenden Vorkurs ab. Die Ausbildung animierte sie zu Experimenten – heute macht die Künstlerin Performances. Im Portrait erzählt sie von ihren Wegen und Entscheidungen.

Performance ist eine der unmittelbarsten Ausdrucksformen der Kunst, sie lebt im und vom Moment, von ihrer Umgebung und dem Publikum. In einer Zeit, in der Begegnungen selten sind, machte Britta Liv Müller genau diese zum Thema. An der Performance-Reihe Neu-Oerlikon inszenierte sie mit der Choreografie Naked Fruit das Aufeinandertreffen und den Körperkontakt. Britta Liv schätzt den Live-Moment: «Während einer Performance steht man in gewisser Weise fliessend in Kontakt mit dem Publikum. Die unterschiedlichen Reaktionen faszinieren mich stets aufs Neue.»

Wenn sich Britta Liv nicht mit Kunst beschäftigt, unterrichtet sie Kinder im Integrationsbereich. «Ich habe zwei Jobs, die ich mit vollem Herzen ausübe», erzählt sie, «Es ist schön, beide Welten zu haben, aber ich vermische sie nicht». Obwohl ihre Arbeiten aus Impulsen und Bildern entstehen, die eng verknüpft sind mit persönlichen Erfahrungen grenzt sie die beiden Bereiche ab, nicht alles hat miteinander zu tun.

Aufgewachsen ist Britta Liv in einer «Künstlerfamilie». Die Kunst begleitete sie seit ihrer Kindheit. Ein Weiterbildungskurs leitete sie zur F+F, wo sie von 2011 bis 2013 den berufsbegleitenden Vorkurs absolvierte. «Die F+F ist ein Bijou,» sagt die Künstlerin. An der Schule fand sie selbst abends, müde vom Alltag, die Lust am Experiment. In dieser Zeit war ihr Medium noch nicht die Performance, sie erkundete Materialien und arbeitete installativ. «An der F+F lernte ich, über meine Arbeit zu sprechen, fand eine Sprache für meine Kunst,» sagt Britta Liv und erinnert sich an den regen Austausch in den Pool-Kursen und Modulen. «Wir wurden angeregt, uns zu vernetzen. Richtig begriffen habe ich die Bedeutung eines guten Netzwerks aber erst später, als es darum ging, mit meiner Arbeit rauszukommen.»

Der Vorkurs spannte die ersten Fäden, heute ist Netzwerken ein wichtiger Teil ihrer künstlerischen Arbeit. So hofft auch Britta Liv auf eine Zeit, in der Begegnungen und Unmittelbarkeiten wieder häufiger werden.

Text: Anna Raymann
Bianca Gadola, Alumna des HF-Studiengangs Film berufsbegleitend, 2020
«Die F+F ist eine Schule, an der man nichts muss, aber alles kann.»
Sie hält viele Töpfe auf dem Herd. Bianca Gadola studierte an der F+F Film berufsbegleitend zu ihrer Arbeit als Kuratorin und Köchin.

Allen drei Tätigkeiten ist die Kreativität gemeinsam und der Takt, in dem gearbeitet wird: «In der Küche wie auch am Set braucht man den Blick fürs Ganze – nur wird einem beim Dreh nicht ganz so heiss wie am Herd», sagt Bianca.

Diesen Überblick brauchte die junge Filmemacherin auch für ihr Diplomprojekt Ex-Nihilo, ein Film über das Filmemachen und die Entstehung des Weltalls aus dem Nichts, Science-Fiction auf der Metaebene. Neben der Konstruktion der vierfach verstrickten Geschichte, war auch die Umsetzung herausfordernd: «Ein Dreh ist krass. Als Regisseurin muss man alles planen und auf jede Frage eine Antwort wissen.» Diese Antworten überzeugten auch die Jury, die ihr für die stimmige Inszenierung den F+F Förderpreis 2020 verlieh.

Und Ideen für das Nächste Projekt hat Bianca zu genüge, vom Kammerspiel bis zum Schweizer Heimatfilm sprudelt es in alle Richtungen: «Mich interessieren die grossen Theorien und die banalen Kleinigkeiten.» Bevor sie an die F+F kam, studierte sie Kunstgeschichte und Filmwissenschaften. Die meisten Studierenden bringen eine gewisse Erfahrung und unbedingte Motivation mit. Das nährt den Austausch. «Am liebsten erinnere ich mich an das Konzeptstudium, wo alle ihre Ideen zusammentragen und aus dem Nichts eine Geschichte entsteht», erzählt Bianca. Auch mit den Dozierenden ist der Umgang kollegial: «Mit Freunden schafft man besser.» Die Kontakte halten über das Studium hinaus.

Als nächstes wird Bianca Ex-Nihilo bei Festivals einreichen, am nächsten Drehbuch arbeiten und «einfach weitermachen». Wo man sie in 20 Jahren antreffen wird? «Auf einem Weingut in Italien», lacht Bianca, «aber natürlich bleibt das Filmequipment dort auch nicht in der Ecke liegen.»

Text: Anna Raymann
O'Neil Bürgi, Alumnus Studiengang Film HF, 2018, Bild: Pascale Florio
«Die Realität konservieren»
An der diesjährigen Ausgabe der Solothurner Filmtage zeigt F+F Alumnus O’Neil Bürgi seinen Dokumentarfilm Ale. Der Film über eine junge Wrestlerin läuft im Wettbewerb um den Publikumspreis.

Die Kamera hatte O’Neil Bürgi schon als Teenager in der Hand, damals filmte er noch mit der Familienkamera auf VHS-C. «Es faszinierte mich, dass ich mit dieser kleinen Kiste die Realität einfangen und für immer konservieren konnte.» Nach der soliden Malerlehre, stieg er Praktikum um Praktikum tiefer in die Filmszene ein. Er sammelte Erfahrungen am Set bei Filmen und Werbespots, als Videojournalist und im Schnittraum. Seine praktischen Erfahrungen wollte er aber mit einer Ausbildung festigen und fand so den Weg an die F+F.

Neben dem berufsbegleitenden Studiengang Film arbeitete er weiter als Editor. «Parallel arbeiten zu können, erleichtert natürlich die Finanzierung. Vor allem gewann ich so aber frische Ideen für den Job», sagt O’Neil und erzählt vom Austausch unter den Studierenden: «Es ist wie ein Labor für Kunstschaffende, Kreative und alle die es werden wollen.» Neben dem filmischen Handwerk geht es im Unterricht auch darum, Dossiers und Konzepte zusammenzustellen. Schliesslich kann kein Film ohne Finanzierung produziert werden. O’Neil weiss, was er will: Sich nicht festlegen auf ein Genre. Und sich nicht für den Markt verstellen. «Dafür bin ich zu jamaikanisch», lacht er. Sein Studium hat er abgeschlossen mit einem düsteren Trickfilm. Für Cat Noir zeichnete er in 115 Tagen jedes der rund 3 600 Bilder einzeln. Eigentlich ist die F+F nicht auf Animationen spezialisiert, trotzdem wagte er es, brachte sich die Techniken und Programme selbst bei: «Es war ein riesiges Experiment, ein Experiment, das auch die Schule unterstützte. Mit viel Lust und Energie ist an der F+F fast alles möglich.» Das Experiment gelang. Cat Noir ging ab «wie ein Raketli» und gewann mehrere Preise an Festivals.

Zwei Jahre später kann O’Neil Bürgi nun mit dem Dokumentarfilm Ale auf einen Preis aus Solothurn hoffen. Das Plakat zum Film hat die F+F Alumna Valentina Morrone gestaltet – die Kontakte halten über die Schulzeit hinaus.

Text: Anna Raymann
Stefan Kaegi, Alumnus der Kunstklasse der F+F.
«Die Entscheidung, in die Kunst einzusteigen, war für mich radikal»
Heute ist Stefan Kaegi Regisseur und Autor, mit dem Theaterkollektiv Rimini Protokoll inszeniert er international. Seinen Weg zur Bühne fand Kaegi an der F+F, wo er fünf Semester studierte, Ausstellungen organisierte und sein erstes Hörspiel aufnahm.

Wäre Stefan Kaegi nicht an der Logik gescheitert, hätte er womöglich einem Philosophiestudium den Vorrang gegeben. Stattdessen begann er «in der Provinz» zu inszenieren, die intuitiv entstandenen Theaterprojekte führten ihn an die F+F. «Die Entscheidung, in die Kunst einzusteigen, war für mich radikal». Kaegi ist Autodidakt; dort, wo er aufwuchs, spielte Kunst keine Rolle. «An die HGK (heute ZHdK) wagte ich mich also gar nicht erst. Von der F+F hiess es, man müsse nur gut ‘schnurre’ können – und das konnte ich.» Stefan Kaegi ist heute Regisseur und Autor und arbeitet international. Gemeinsam mit Helgard Haug und Daniel Wetzel ­– das Theaterkollektiv Rimini Protokoll – führt er mal als dokumentarisches Theater, mal als szenisches Hörspiel über Bühnen und durch öffentliche Räume. Stefan Kaegi befragt mit Rimini Protokoll die Realität mit jedem Stück aufs Neue und wurde dafür mehrfach ausgezeichnet.

Als Kaegi in den 90er Jahren an der F+F studierte, war dort Theater ein «No Go», erinnert er sich: «Man machte an der F+F Performance, aber keinesfalls Theater.» Die Workshops strapazierten denn auch seine Geduld; stundenlanges Schweigen oder einen Meter möglichst langsam zurücklegen, das war nichts für den umtriebigen Studenten. Gleichzeitig schätzte er die Workshops der internationalen Gäste und die Wahlfreiheiten im Studium. Seine Energie entlud er in eigenen Projekten: Er lancierte gemeinsam mit der Performerin Regula J. Kopp einen Ausstellungsraum im Zürcher Bahnhof Selnau und stellte unter dem Titel Jäger und Sammler wöchentlich neue junge Künstler:innen aus, die an wilden Vernissagen gefeiert wurden. An der Schule trafen Hausbesetzer:innen, introvertierte Maler:innen unter Genieverdacht und den Ausgleich suchende Hausfrauen aufeinander. «Wir haben uns damals nicht Studenten genannt, wir haben einfach Kunst gemacht.»

Stefan Kaegi fokussierte auf das Wechselspiel zwischen Inszenierung und Text. Am Audioschnittplatz eines Dozenten produzierte er sein erstes Hörspiel Kugler der Fall, das ihm durch den Verkauf an mehrere Deutsche Radiosender fortan sein Studium finanzieren sollte.

Nach fünf Semestern und kurz vor dem Diplomabschluss an der F+F entschied sich Stefan Kaegi für ein Austauschsemester in Giessen – und blieb dort. Am Institut für Angewandte Theaterwissenschaften begegnete er Helgard Haug und Daniel Wetzel mit denen er seit über 20 Jahren erfolgreich zusammenarbeitet. In die Schweiz kehrt er gerne zurück, öfters ist er in Lausanne. «Na klar hat die F+F Spuren hinterlassen – aber wie soll man sowas messen…» Seine Zeit an der Schule dokumentiert eine schmale Akte, jedes absolvierte Semester nicht mehr als ein kleiner, orangener Aufkleber.

Text: Anna Raymann
Janine Stählin, Alumna Modedesign HF, 2019, Foto: Veronique Hoegger
Menschen sind auch nur Fische
Janine Stählin hat 2019 ihr Studium zur Modedesignerin an der F+F Schule für Kunst und Design in Zürich abgeschlossen. Mit Ihrer Kollektion silent rebel hat die 30-jährige Luzernerin den Förderpreis der Schule gewonnen.

Wunderbare organge-weisse, an Fische und Quallen erinnernde, Outfits vor tiefblauem Hintergrund – so präsentiert Janine Stählin eine ihrer Kollektionen auf ihrer Website. «Dahinter steht der Gedanke, dass sich der Mensch manchmal wie ein Fisch im Aquarium gefangen und beobachtet fühlt.» Während ihrer dreijährigen Ausbildung hat sie sich intensiv mit der seelischen Verletzbarkeit des Menschen auseinandergesetzt. «Mir war es wichtig, persönliche Erfahrungen in die Arbeiten einzubringen. Ich wollte das Thema aber nicht depressiv, sondern mit Freude und Humor darstellen.» Dabei ist ihr das Kleidungsstück Mittel zum Zweck. Es geht ihr um die Inszenierung: Um den Menschen, der das Kleidungsstück trägt, wie er sich bewegt, um seinen Ausdruck im Gesicht, um seine Ausstrahlung aber auch um die Musik, die die Kollektion untermalt. «Mich fasziniert es, Emotionen zu transportieren und damit Menschen zu berühren», sagt Janine.

An der F+F hat Janine die nötige Zeit und den Raum gefunden, ihre persönlichen Lebenserfahrungen kreativ umzusetzen. «Die Ausbildung hat mir die Möglichkeit gegeben, mich selber zu entdecken. Und ich habe mein Selbstvertrauen in den Jahren an der F+F stärken können,» resümiert die junge Designerin. Ursprünglich hat sie die Ausbildung zur Sekundarlehrerin gemacht und ist eher zufällig zur Mode gekommen. «Während ich unterrichtete, habe ich gemerkt, dass ich viel Kreativität in mir habe. Ich habe aber lang nicht gewusst, welches Medium für mich das Richtige ist.» In einem Nähkurs hat sie eine Dozentin der F+F kennengelernt, die sie umgehend an die Schule eingeladen hat. «Mir hat das familiäre Umfeld, die Herzlichkeit und Offenheit der Leute an der F+F sehr gefallen».

Die Freiheiten, die die Studierenden geniessen, verlangen von ihnen viel Eigeninitiative. Die Lehrkräfte stehen ihnen aber jederzeit beratend zur Seite. Janine Stählin: «Man ist mega frei. Es ist wenig vorgegeben, aber das ist auch anspruchsvoll.»

Janine hat nun ihr HF-Diplom Modedesignerin in der Tasche. «Mit meinem Abschluss habe ich Bestätigung erhalten, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Und ich habe herausgefunden, auf welche Art ich mich ausdrücken kann. Diesen Weg will ich weiterverfolgen.» Ihr momentaner Plan: Zunächst 50 bis 60 Prozent in der Gastronomie und als Lehrerin arbeiten, um die restliche Zeit für eigene Projekte zu nutzen. Das ist auch dringend nötig, denn sonst fehlt der Welt künftig ein Stück fantastische Kreation.

Text: Matthias Gallati
Dijan Kahrimanovic, Alumnus Fotografie HF, Diplom 2014
On-Off mit der Kunst
Bevor Dijan Kahrimanovic Kunst gemacht hat, war er Metzger. Nachdem ihn die Kunst verlassen hat, arbeitete er im Büro und im Handel, Import/Export.

«Ich und die Kunst», sagt Dijan, «führen eine On-Off-Beziehung. Wie jede Beziehung muss man auch die zur Kunst pflegen, an ihr arbeiten, sich immer wieder neu sammeln.» Inzwischen haben die beiden wieder zueinander gefunden. Mit der Arbeit in einer Galerie fördert er junge Künstler:innen, auch privat baut er eine kleine Sammlung auf. «Das geht sogar mit dem Budget eines Kreativen», lacht Dijan.

Der Blick auf die Werke regt ihn zu eigenen Arbeiten an. Dijan Kahrimanovic arbeitet gross, raumgreifend, raumnehmend: Ein Panzer? Ein Pickup? Oder doch im kleineren Format, aber nicht unbedingt leiser: Ein gefälschter Pass, das Archivbild als fiktives Zeugnis. Performativ oder in Installationen verhandelt er immer wieder die Rolle der Kunst, des Künstlers in der Kunstszene, auf dem Kunstmarkt.

An der F+F hat Dijan nach dem Vorkurs Fotografie studiert. «Dort hatte ich eine anstrengende, aber eben auch die beste Zeit.» Seine Projekte plante er aufwändig, spähte bei anderen Abteilungen, machte zwischendurch noch einen Austausch nach Boston. «Die F+F gibt kein Ziel vor. Sie gibt Stichworte und von dort aus führen hunderte Wege fort», sagt Dijan, «letztlich geht es nicht um richtig oder falsch, sondern darum, eine Haltung zu entwickeln.» Trotzdem spürte er schon da, dass seine Beziehung zur Kunst eine komplizierte war. Gelegentlich zweifelte er, gut genug zu sein, um auch ausserhalb der Schule bestehen zu können. Die Einblicke und Perspektiven, die die Dozierenden aus der Praxis mit in den Unterricht brachten, machten ihm Mut: «Es war sehr inspirierend von Figuren wie Walter Pfeiffer zu lernen! Wie er Kunst und Fotografie verknüpft begeistert mich.»

Nach seinem Abschluss wurde seine Arbeit mit dem Helvetia Kunstpreis ausgezeichnet, er stellte an der jungen Kunstmesse Liste aus. Türen öffneten sich, andere schlossen. Es ist eben kompliziert. «Aber inzwischen kann ich Kunst machen, von Kunst leben und gemeinsam mit anderen nach Lösungen für den Kunstmarkt suchen.»

Text: Anna Raymann
Diplomkollektion REALITY IS PERCEPTION von Laura Heer-Vermot-Petit-Outhenin, 2020, Foto: Maurice Keiser
«Die F+F hat mich geflasht.»
Als sich Laura Heer-Vermot-Petit-Outhenin an der F+F bewarb, war sie gerade alt genug für den Studiengang Modedesign HF. Inzwischen hat sie mit einem Förderpreis abgeschlossen. Im Gespräch erzählt sie, was ihr von der Zeit an der Schule bleibt.

Direkt nach der Schule schloss Laura den Berufsvorbereitungskurs an der Modefachschule Modeco an, dann kam sie zur F+F an den Studiengang Modedesign HF. Im ersten Semester feierte sie ihren 18. Geburtstag. «Kreativität war für mich der einzige Weg», sagt Laura, «alles andere war keine Option.» An der Mode fasziniert sie, dass kein Weg an ihr vorbei führt: «Mode ist die Disziplin in der Kunst, die jeden dazu zwingt, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Mode findet immer statt.»

Durch Mode drückt Laura Wandelbarkeit und das ganze Spektrum ihrer Persönlichkeit aus. Und so wählte sie auch ein sehr intimes Thema für ihre Diplomkollektion REALITY IS PERCEPTION. In skulpturalen Entwürfen übersetzt sie Schmerz und physisches Unwohlsein ins Textile. Es sei die erste Kollektion, in der sie ihre Stärken voll habe ausleben können, erzählt Laura. «Ich finde meine Sprache am Körper und nicht auf dem Blatt.» Trotz des schweren Themas hinterlässt die Arbeit viel Positives – zum Beispiel den Förderpreis der F+F. Das Preisgeld deponiert sie vorerst auf dem Sparkonto. «Am liebsten möchte ich es nutzen, um mich im Styling selbstständig zu machen. Aber erst mal muss ich Schlaf nachholen», lacht die Designerin.

Von der Studienzeit nimmt Laura viele Kontakte und die ansteckende Energie der Mitstudierenden mit. «Die F+F hat mich geflasht. Sie ist ein Chaos, aber ein positives Chaos.» Die Dozierenden fördern und fordern, was die Studierenden zur Selbständigkeit animiert und ihnen Sicherheit für die spätere Arbeitswelt gibt. Bei dem Schweizer Label YVY der Modedesignerin Yvonne Reichmuth konnte Laura noch während des Studiums in einem Praktikum erste Erfahrungen sammeln. Den Kontakt dazu bekam sie über die Schule. Und der beste Ratschlag, den ihr die Dozierenden mit auf den Weg gaben? «Bügeln. Vor jeder Präsentation ordentlich bügeln – das rettet jede Kollektion.»

Text: Anna Raymann
Muda Mathis, Studentin F+F 1978-80, FotoPop-Eye, Les Reines Prochaines: Fränzi Madörin, Sus Zwick, Michele Fuchs, Muda Mathis (v. l.)
«Für mich war das konzeptionelle Denken an der F+F eine Offenbarung»
Humbug Club, Let’s sing Arbeiterin*, Der Elefant ist da!, Olga und Olga und die koreanische Grossmutter und natürlich Lob Ehre Ruhm Dank: Eine kleine Auswahl von Titeln von Muda Mathis’ umfangreichem Schaffen, das sie meist mit wechselnden künstlerischen Partnerinnen in die Welt gebracht hat.

Bekannt als Gründungsmitglied der Musikperformancegruppe Les Reines Prochaines ist sie auch Installations- und Videokünstlerin, Performanceaktivistin, Theatermacherin, Publizistin, Ausstellerin und Kunst-am-Bau-Entwerferin. Eine vielseitigere Künstlerin gibt es kaum.

Muda Mathis machte als junge Frau ein Praktikum bei der Zürcher Bildhauerin Charlotte Germann-Jahn. Diese nahm Muda auf und zeigte ihr, wie Gipsmodelle angefertigt werden. Als Charlotte Germann-Jahn keine Arbeit mehr für sie hatte, gab sie ihr den Tipp, doch mal die F+F in Augenschein zu nehmen. «Das wäre doch etwas für mich, meinte sie. Also ging ich hin. Der damalige Leiter Hansjörg Mattmüller nahm mein Interesse entgegen und sagte, ich solle um 16 Uhr wieder kommen. Auf diese Zeit seien die Aufnahmegespäche angesetzt.» Muda Mathis wurde noch am selben Tag in die Schule aufgenommen.

Wenige Wochen später ging es los. «Für mich war sowohl das konzeptionelle Denken als auch das Vorgehen an der Schule neu – eine Offenbarung: Performance, Video, Kunst als sozialer Prozess, Behaviour, intermediärer Aktionismus. Ich hatte nie zuvor von diesen Strömungen gehört und ich hatte keine Ahnung von zeitgenössischer Kunst. Also startete ich meine intensive Auseinandersetzung mit aktueller Kunst. Ich war jung, sog alles auf und alles, was ich da erlebt habe, hat mich durch und durch geprägt.»

An der F+F arbeiteten die Studierenden mit Videokameras, diskutierten über aktuelle Kunst, besuchten Ausstellungen – und der Künstler Peter Trachsel führte Performance-Workshops durch. Das sollte sich als entscheidender Moment erweisen: «Wir präsentierten streng à la John Cage durchkomponierte Performances. Peter Trachsel führte mich in die Performancekunst ein, förderte mich und lud mich auch später immer wieder zu Auftritten ein.» Mindestens so wichtig war für Muda Mathis die Begegnung mit der Künstlerin und F+F-Mitbegründerin Doris Stauffer. «Sie führte mich in die feminisitische, aktivistische und kollektive Strategie ein. Kunst kann eben auch politisch sein und die Politik ganz nah am eigenen Leben.» An der F+F wuchs Muda Mathis’ Selbstverständnis als Künstlerin. Und es wurde ihr klar, dass eine Künstlerin alles machen kann, was sie sich denken kann.

Acht Jahre später, nach einer bewegten Zeit in der Jugendbewegung, mit Bands, Aktivismus und viel DIY besuchte sie an der Schule für Gestaltung in Basel die Videoklasse. Muda Mathis erkannte, dass Kunst ein Feld ist, auf dem sie sich bewegen kann, dass es ein Ort ist, um gesellschaftliche Fragen aber auch eigene Wünsche, fehlende Dinge, Erfindungen und Behauptungen spielerisch zu überprüfen und zu verhandeln.

Heute arbeitet Muda Mathis mit ihrer Partnerin Sus Zwick, mit der Band Les Reines Prochaines und Künstler:innen um die Ateliergemeinschaft VIA in den Amerbachstudios in Basel zusammen. Sie komponiert Klänge und Bilder, verbindet Sprache mit Körpern und Bewegungen und schafft damit überzeugende Videoarbeiten, Installationen, Performances und Musikstücke. Spiel, Ironie, Witz und Aberwitz spielen dabei wichtige Rollen.

Im Moment arbeitet sie mit Les Reines Prochaines und Freunden an der Revue Alte Tiere hochgestapelt, die am Theater Basel aufgeführt wird – wenn die Pandemie es erlaubt. Durch diese ausgebremst, hat sie kürzlich einen Podcast über die Performancekünstlerin Andrea Saemann und ihr Werk fertiggestellt.

Text: Matthias Gallati
Veit Stauffer, Erste Klasse F+F 1975–77, Foto: Reto Oeschger
Der «Schallplattenverkäufer»
Damals wollte Veit Stauffer Schallplattenverkäufer werden. Andere Eltern hätten ihm nahegelegt, stattdessen das Gymnasium zu besuchen oder eine Banklehre zu absolvieren. Nicht so seine Eltern: «Ich würde schon sagen, meine Eltern haben mich grosszügig darauf aufmerksam gemacht, doch die F+F zu besuchen. Ich hatte da noch «Flausen im Kopf» und keine rechte Vorstellung, was aus mir werden sollte. Für ihre Weitsichtigkeit gebührt ihnen grossen Respekt».

Ich treffe Veit Stauffer drei Monate nach dem Antritt seiner Frühpension bei ihm zuhause in Zürich-Wipkingen. Er empfängt mich mit einer Ruhe, von der man sich ein Stück abschneiden könnte – und erzählt dann die Geschichte seiner Kindheit und Jugend: Sie ist gespickt mit unzähligen Anekdoten und unterlegt mit einer Fülle von Dokumenten, die er mal da, mal dort hervorzaubert.

«Ich war elf, als der Protest an der Kunstgewerbeschule Zürich lanciert wurde», konstatiert Veit Stauffer. An vorderster Front mit dabei: Seine Eltern, die damals Dozent:innen an der Kunstgewerbeschule waren. «Ich habe alles hautnah miterlebt und diese Zeit ganz toll in Erinnerung». Er war bei der ersten Einschreibung für die F+F dabei, besuchte Infoabende und nahm als Kind am ersten Sommerkurs teil. «Überall wurde ich mitgeschleppt.» Das wilde Leben seiner Eltern war ihm jedoch manchmal zu viel: Ständige finanzielle Sorgen paarten sich mit einer «offenen» Beziehung, die die beiden lebten und die entsprechende Probleme mit sich brachten. Veit Stauffer sagt von sich, dass er kein Rebell war und eher introvertiert.

Er hörte lieber Rockmusik. Durch seine beiden grossen Schwestern, sowie die Eltern und Schüler:innen der F+F kam er mit den Stones, Hendrix, Bob Dylan und den experimentellen Soft Machine, Fugs und Frank Zappa in Kontakt. Entscheidend für seine Entwicklung sollten zehn Abende im Frühling 1972 sein: Veit Stauffer nahm an einem Musikworkshop der F+F mit dem Komponisten Daniel Fueter und dem Musiker Anton Bruhin teil, auf den ihn seine Eltern aufmerksam machten. Er nahm sein kleines, zweiteiliges Schlagzeug mit und spielte vor versammelter Mann- und Frauschaft. Eine Initialzündung, denn die Musik sollte in seinem Leben künftig eine bedeutende Rolle spielen.

Nach drei Jahren der Suche während der Sekundarschule – «ich habe da meinen Hang zu Melancholie entdeckt» ‒ fand er zurück zur F+F: Von Mai 1975 bis September 1977 besuchte er die damals noch einzige Klasse. Er fand schnell Tritt und blühte richtig auf.

Während der Schule hat er sich intensiv mit Performance- und Konzeptkunst befasst: «Ich nahm zwanzig private Fotos und habe sie mit Texten gemischt, die scheinbar nichts mit den Bildern zu tun haben.» Und er fand den Mut zur Performance: Die feifi-zeig! Soundcollage ab Band, panierter Kopf, nasse Spaghetti und Randensaft, Dia-Projektion und Super-8, aufgeführt vor der Klasse im Oktober 1975. («Feifi» wurde zum Rufnamen und das ging so: Der damalige Freund seiner Schwester verstand den Namen «Veit» nicht richtig. Er hörte stattdessen «Feifi»; «zeig» ist die deutsche Übersetzung von «show»).

Weitere folgten, etwa im Juni 1976 die Rasenmäher-Aktion, bei der er zusammen mit zwei Seebacher Freunden Gras frass oder die Aktion «Das Denken der Männer wird überbewertet», während der er eine Stunde mit aufgepflanztem Transparent vor dem Jelmoli-Warenhaus stand und mit Passant:innen über die Emanzipation der Frauen diskutierte (das martialische Gehabe der Männer hat ihn stets gestört). Dazu kamen Beiträge für die Biennale Venedig und für das Kunsthaus Zürich, an der sich die F+F präsentierte. Folge: Die Wertschätzung seiner Eltern für sein Tun stieg stetig an.

1976 war ein «Erleuchtungsjahr» für ihn: Er lernte die englische Avantgarde-Rockgruppe Henry Cow kennen. Eine wegweisende Begegnung, wie sich später herausstellen sollte. Im Moment standen aber Konzerte mit seinem Duo Razzia im Zentrum. Veit Stauffer sang und spielte Schlagzeug, Edwin Kunz spielte Gitarre. Der Song gopfertelli gopfertammisiech sollte lokale Berühmtheit erlangen. Am 10. September 1977 gaben die beiden unter dem Namen Feifi & Edi an der F+F als eine Art Abschlussarbeit ein einstündiges Konzert: «Improvisierte Musik auf experimenteller Basis» war angesagt. Danach diskutierten sie mit dem Publikum über die Kreativität von Mann und Frau.

Nach Abschluss der Schule wurde ihm klar, dass er kein Handwerk «richtig» gelernt hatte, denn an der F+F war von allem etwas dabei: Filme drehen (mit Video und Super8), fotografieren, Texte schreiben, Vorträge halten. «Ich hätte mich als Künstlersöhnchen auf die faule Haut legen können. Ich wollte aber mein eigenes Geld verdienen». So verdingte er sich als Hilfsarbeiter an einer Drehbank und später im Gastgewerbe. Parallel dazu hat er seine ersten Memoiren geschrieben.

Eines Tages erreichte ihn ein Expressbrief aus Italien: Der Tourmanager von Henry Cow fragte ihn im Auftrag von Chris Cutler und Fred Frith an, ob er in Zürich ein Konzert mit Henry Cow organisieren könne. Veit Stauffer überlegte nicht lange und sagte zu. So hat alles angefangen. Zusammen mit seinem Freund Daniel Waldner übernahm er in der Folge den Vertrieb von Schallplatten – das Lager war anfänglich unter seinem Bett eingerichtet – und organisierte ab 1980 Konzerte für weitere Bands. Im August 1981 eröffneten sie den RecRec-Laden, ein paar Monate später folgte das Label gleichen Namens. RecRec blieb 40 Jahre lang seine Passion – und ist seit kurzem Geschichte.

Seine Meinung als über die Landesgrenzen hinaus bekannter Experte für verschiedenste Musikstilrichtungen wird noch eine Weile gefragt sein. Seine Arbeitstage sind jedoch nicht mehr mit 140%igem Engagement gefüllt. Froh über die Zeit, die er nun gewonnen hat, hat er bereits weitere Projekte in petto: Sein umfangreiches Text-, Bild- und Tonarchiv (12000 Tonträger) soll aufbereitet und ein Fotoband mit Material aus diesem Fundus veröffentlicht werden. Seine Memoiren (Band 2) sollen folgen. In fünf Jahren soll es so weit sein.

Text: Matthias Gallati
Caroline von Moos, Visuelle Gestaltung HF, 2022
«Ich habe mich nirgendwo so akzeptiert gefühlt wie hier»
Caroline von Moos studierte an der F+F Visuelle Gestaltung HF. Sie schloss ihr Studium im Juni 2022 ab.
 
«Als Kind war es mein Traum Kunstmalerin zu werden». Carolines früheste Erinnerung an Kunst ist ein Bild, auf dem ein Clown mit einem Ballon zu sehen ist. Das Bild hatte sie mit etwas Hilfe selbst gemalt. Ihr Vater schenkte ihr zu ihrem siebten Geburtstag einen Malnachmittag mit einer Kunstmalerin. «Diese Erinnerung hat sich mir sehr eingeprägt. Das Bild ist immer noch vorhanden.».
 
Nachdem Caroline in einem Kinder- und Frauenheim gearbeitet und zwischenzeitlich an unterschiedlichen Kunstschulen den Vorkurs besucht und Illustration gelernt hatte, führte sie ihr Bauchgefühl an die F+F. An der F+F gefällt ihr, «dass es so persönlich und individuell ist. Man wird hier wahrgenommen, so wie man ist und akzeptiert. Ich habe mich bis jetzt nirgendwo so akzeptiert gefühlt wie hier». 
 
Auf die Frage, welcher ihr schönster Moment an der F+F war, antwortet sie: «Es gibt nicht diesen einen schönsten Moment. Es ist eine Sammlung davon. Ich stelle mir das immer wie ein Konfiglas vor, dass ich mit Situationen, Augenblicken und Begegnungen befülle, die wertvoll sind, die ich in Erinnerung behalte. Bei der F+F ist das Glas ziemlich voll mit solchen bereichernden Momenten, die ich sammeln durfte.»
 
Besonders schätze sie es, viel Unterstützung zu erhalten in Lernprozessen oder dabei, immer wieder über ihren Schatten zu springen, beispielweise bei Präsentationen. Die kleine Klassengrösse ermögliche zudem einen guten Austausch, eine enge Zusammenarbeit und gute Gespräche mit den Dozierenden. «Egal ob menschlich oder fachlich – ich habe hier sehr viel dazugelernt.».
 
Durch die F+F hat Caroline den Mut gefunden, ihre Leidenschaft zum Beruf zu machen und ist dabei ihr Portfolio zusammenzustellen. Konkrete Pläne für die Zukunft schmiedet Caroline momentan aber keine: «Es ist gut Pläne zu haben, es ist aber auch gut die Dinge auf sich zukommen zu lassen, weil es immer anders kommt als geplant.». Träume von einem eigenen Atelier oder davon, ihre frühere Tätigkeit im sozialen Bereich mit Gestaltung zu verbinden, erfüllen sie aber dennoch mit Freude.

Text: Anamaria Novak
Marie-Anne Hafner, Film HF, Foto: Pamela Castillo, 2021
«Das ist uns einfach so passiert»
Marie-Anne Hafner schloss diesen Juni ihr berufsbegleitendes Filmstudium an der F+F ab.

Bevor Marie-Anne an die F+F kam, arbeitete sie viele Jahre beim Zirkus und als Schauspielerin beim Theater. Durch Zufall, «das ist uns einfach so passiert», entwickelte sie zusammen mit Uniformiert-Deplaciert einen Experimentalfilm und einen Kunstfilm, die an Filmfestivals und im Kunstmuseum Bern gezeigt wurden. Fortan war ihre Leidenschaft für den Film, genauer für das Filmemachen, entfacht und Marie-Anne meldete sich zum Studium an der F+F an.
 
An der F+F lernte Marie-Anne Dokumentationen, Reportagen, Fiction und sogar einen Animationsfilm drehen. Sie setzt sich in ihren Filmen mit sozialen Themen, Umwelt und Feminismus – oder mit einer Kombination daraus auseinander. «Ich konnte hier alles ausprobieren, das war befreiend». Marie-Anne schätzt das Vertrauen, das ihr von den Dozierenden stets für ihre Filmprojekte entgegengebracht wurde, «auch wenn ich mein Vorhaben nicht immer gut erklären konnte.»
 
Den Unterricht an der F+F beschreibt Marie-Anne als «offen und verschieden». Den Altersunterschied in der Klasse – «da sitzt eine ganze Generation wie eine Familie zusammen» – und die unterschiedlichen Hintergründe und Herangehensweisen sowohl der Dozierenden als auch der Studierenden empfand Marie-Anne als sehr spannend sowie für den Unterricht förderlich. Sie sagt: «Die F+F ist F+F+F: frisch, fröhlich, fruchtbar».
 
Zu den schönsten Momenten im Studium gehörten für Marie-Anne, gemeinsam die fertigen Werke auf Grossleinwand zu erleben. «Ich fand es immer wieder berührend und aufregend im Dunklen zu sitzen und sich überraschen zu lassen.» Da es sich um Filme handle und nicht um Arbeiten, die «aufgehängt» werden konnten, fanden die Premieren und Jurierungen der Filme jeweils im Kino Xenix statt. Die gemeinsam verbrachte Zeit mit ihrer Filmklasse und die vielen unterschiedlichen Begegnungen während der Projekte vermisse sie jetzt schon.
 
Damit ein Projekt gelinge, brauche es immer auch «einen guten Mentor, der an einen glaubt, sowie ein gutes Team». Teamarbeit und damit ein guter Klassengeist seien für ein Filmstudium unerlässlich. Manchmal ergebe sich daraus auch ein Projekt oder sogar ein Kollektiv für später: Zusammen mit fünf weiteren F+F’lerinnen gründete Marie-Anne die Film GmbH Flur 203
 
Die Entwicklung von Flur 203, die Umsetzung ihrer Filmideen und ihre Schauspielerei gehören zu Marie-Annes Plänen für die Zukunft.

Text: Anamaria Novak
Felix Cordone, Teilnehmer Jugendkurse 2019, Bild: Veronique Hoegger
Flight 134 – Eine Begegnung mit Felix Cordone
Flugzeuge sind seine Leidenschaft – und programmieren und gestalten. Felix Cordone wurde vor 14 Jahren in Chicago geboren, wohnt heute in Thalwil und hat einiges drauf.

Mit seinen Freunden baut er an einer Website, die online leicht verständliche Informationskarten von Flughäfen anbietet. Auf dass sich nie mehr jemand verläuft in den meist labyrinthischen Organismen der Welt! Die Website heisst www.flight134.com und ist nach einer Flugnummer benannt, die Chicago mit Zürich verbindet.

Bereits mit zehn hat er sich Adobe-Illustrator beigebracht. Später kamen die Programmiersprachen Phyton und HTML dazu. Er lernt schnell und will alles genauer wissen. «Ich will noch mehr lernen. Jetzt bin ich noch jung, später habe ich die Möglichkeiten nicht mehr so», sagt Felix Cordone. So hat er sich bald auch genauer damit beschäftigt, wie Grafik funktioniert und wie man etwas überzeugend präsentieren kann. Denn er wollte seine Website an der Privatschule vorstellen, die er besucht und da musste sie «top» aussehen. Seine Eltern haben ihn schliesslich darauf gebracht: Felix absolvierte einen Semesterkurs für Jugendliche an der F+F. «Ich fand es cool, weil man hier entspannt sehr kreativ sein kann. Die Schule ist ruhig und die Lehrer nett. Alles ist überhaupt nicht stressig.» Er kann sich gut vorstellen, später den Vorkurs an der F+F zu besuchen. Das Logo für flight134 hat er nun schon mal entworfen.

Text: Matthias Gallati
Moira Hofmann, Teilnehmerin Jugendkurse 2019, Foto: Veronique Hoegger
Vom vollgemalten Schulheft zum Werbeplakat
«Mein Seklehrer hat mir eine Broschüre der F+F gezeigt, weil ich die ganze Zeit meine Schulhefte vollmale. Nun mache ich den Semesterkurs um herauszufinden, ob Grafik etwas für mich wäre.»

Jeden Mittwochnachmittag von Oktober bis Dezember und März bis Juni fährt Moira von Niederweningen nach Zürich an die F+F. Sie ist 15 und wohnt bei ihren Eltern. «Wir arbeiten an einem Werbeplakat, das die Berge als Tourismusregion thematisiert. Das macht Spass, weil wir mit grossen Formaten arbeiten», sagt Moira. «Der Kurs gefällt mir ausserdem sehr gut, weil man nicht nur dasitzt und zuhört, sondern viel selber gestaltet». Ende Mai schliessen sie und ihre Kammerad:innen den Kurs mit einer Werkschau ab.

Die F+F ist seit ihren Anfängen in den 1970er-Jahren auch ein Hotspot für Kunst und Design. So finden hier regelmässig Ausstellungen statt. Das gefällt auch Moira: «Ich finde die F+F auch cool, weil in dessen Räumen ständig Dinge aufgehängt sind, die man sonst nicht an Schulen findet. Das ist ein guter Stil – entspannt und lässig.» Nach der Sekundarschule will sie «etwas mit Grafik» oder «etwas Handwerkliches» machen. Auf jeden Fall kann sie das Gelernte aus dem Kurs später brauchen, davon ist sie überzeugt. Schon heute setzt sie ihr gestalterisches Wissen ein: Sie organisiert für die Kinder am Wohnort ein Malfest und sie malt selbst oft und viel.

Text: Matthias Gallati