Kerstin Wittenberg absolvierte den berufsbegleitenden Vorkurs an der F+F und ist hier inzwischen im vierten Semester HF Kunst eingeschrieben.
Der feministische Science-Fiction-Roman «Die linke Hand der Dunkelheit» von Ursula K. Le Guin und Werke der Künstlerin Marlene Dumas waren die Auslöser für
Kerstins aktuelle malerischen Arbeiten zum selbstgewählten Thema «Klassenportraits». Die im Roman beschriebene Gesellschaft, in der es kein biologisches Geschlecht gibt, und die daraus resultierenden Macht- und Sozialstrukturen werfen Fragen zur eigenen Identität auf: «Ich erinnere mich daran, wie es [damals] war, wie ich war und [ich] denke darüber nach, wie ich jetzt bin und wie es wohl sein könnte, wenn diese dualisierenden Kategorien nicht wären.» Durch die Interpretation alter Schulklassenfotos setzt sich Kerstin mit dem «beschriebenen Ich» auseinander. Malerisch sucht sie nach Antworten, benutzt dafür Tinte, Acryl und Grafit und kreiert Bilder zwischen Abstraktion und figürlicher Malerei.
Eine theoretische Einordnung ihrer künstlerischen Arbeit ist für Kerstin seit dem Studium an der F+F bedeutender geworden. Es stehen nicht mehr nur der Malprozess und die Freude am Schönen im Vordergrund: «Das ästhetische Empfinden habe ich immer noch und will es auch ausleben. Dass dahinter eine Haltung, eine Position, eine theoretische Verortung steht und dass das wichtig ist, erkennt man dann im Studium. Die eigene Ästhetik spielt immer mit, aber man sollte nicht nur an ihr hängen bleiben».
Durch die F+F begegnete Kerstin neuen Denkansätzen und lernte, noch genauer hinzuschauen, noch kritischer zu hinterfragen, andere Blickwinkel einzunehmen, offen zu sein und dabei gleichzeitig eine eigene Stellung zu beziehen. Sie sieht das Studium als eine Möglichkeit, in einem offenen, familiären Umfeld eigene künstlerische Wege zu finden, ohne von den Dozierenden in eine bestimmte Richtung gelenkt zu werden, denn die Verantwortung bleibe immer bei einem selbst. Ja, so funktioniere es an der F+F: «Man muss engagiert sein, um profitieren zu können.»
Zu den bisher schönsten Momenten zählt sie das gemeinsame Ausstellungsprojekt der F+F mit dem Zürcher Museum Strauhof zum 50. Jubiläum der Schule. Die Mitwirkung am Projekt ermöglichte Kerstin die Teilnahme am aktuellen Kunstgeschehen. Die Begegnung auf Augenhöhe mit den Dozierenden und den gegenseitigen Respekt, «man respektiert sich gegenseitig in seiner Vielfalt», trägt sie in besonders schöner Erinnerung.
Für Kerstin ist das Studium an der F+F mehr als nur Kunst. Sie beschreibt das Studium als «gesellschaftspolitisch» und die Schule – in drei (oder etwas mehr) Worten – als eine offene, familiäre, vielfältige Kunstwerkstatt, die Freiräume schafft und Praxis und Theorie vereint. Oder wie sie es abschliessend in einem Satz ausdrückt: «Die F+F ist eine Bereicherung für die ganze Persönlichkeit.».
Text: Anamaria Novak